Jetzt sind wir also in Copiapó. Ich muss zugeben, vor der Reise hatte ich noch nie etwas von diesem Ort gehört. Er liegt in der Atacamawüste, einer der trockensten Plätze der Welt. Im Normalfall regnet es einen Tag im Jahr und dann auch nicht viel. Der Fluss, dessen Lauf in der Stadt in Beton gegossen ist, hat zuletzt in 2002 ein wenig Wasser geführt. Also kein wirklich attraktiver Ort und doch ist Copiapó groß, groß geworden durch die umliegenden Kupfer und Eisen Mienen.
Wir sind wegen Nikos Onkel Rodrigo hier und um auf dem Spuren der Ralley Dakar Teilnehmer Dünen zu fahren. Zuvor muss der G aber noch neue Buchsen an den Längsträgern der Vorderachse bekommen. Über einen Freund Rodrigos kommen wir in die "Werkstatt" von Rudi. Werkstatt bedeutet hier ein Hof mit vier zerlegten Autos, eine Grube und etwas verstreutes Werkzeug.
Zum Glück hat Niko alles dabei was braucht und Bucki die nötige Tatkraft, so dass es gar nicht weiter stört, dass Rudi, ein Nachbar, ein Hund und ich immer im Wege rumstehen. Nachdem der Längsträger ausgebaut ist geht es rüber zum Nachbarn, der eine selbstgebaute 40t Presse hat. Der Experte in der Gegend! Seine Werkstatt zeugt von 100 Jahren Erfahrung - wenigstens.
Für 45€ presst der die vier alten Buchsen aus und die vier neuen ein. Auch der Einbau klappt wie am Schnürchen. Am Abend ist alles bereit für die Wüstenfahrt am nächsten Tag. Danke Niko, Danke Bucki, Danke Rudi und Danke unbekannter Nachbar.
24.März
Vor der Freude kommt bekanntlich die Pflicht. So auch bei uns, bevor wir los können müssen wir noch unsere Wäsche aus der Reinigung holen. Dass immer nur mit Kaltwasser gewaschen wird verwundert uns, aber wir hoffen, dass die unmotivierten Damen wissen was sie tun...
Dann ist endlich Abfahrt in die Wüste. So genau wissen wir nicht wo die große Düne Medanoso liegt, aber wir haben eine grobe Orientierung und fahren drauf los. Schon nach ca. 20km können wir erproben wie sich die Autos auf dem Sand machen. Die erste Düne wird erklommen und erst beim Versuch den "Hügel" zu Fuß zu erklimmen merken wir wie steil er ist.
Marc und Janek steigen danach leider aus und wir fahren mit den zwei G weiter in die Wüste. Wir fahren neben einem kleinen Weg immer weiter und landen vor einer alten Mine. Da auch Mittagszeit ist machen wir eine Pick-Nick-Pause.
Danach verlassen wir die eigentlichen Wege und fahren einfach Querfeldein. Ein unbeschreibliches Gefühl das Fahrzeug hinlenken zu können wo man will. Egal ob links um die Düne, recht um die Düne, oder quer rüber, alles ist möglich.
Und so landen wir nach ziemlich viel Spaß ziemlich weeeeeeit abseits.
Noch ein Stück weiter voraus, in frischen Sandverwehungen stehen einige Überbleibsel der Rallye Dakar: einzelne Fahnen der Sektionen.
Niko wäre mit seinem G auch im losen Sand noch weiter gekommen, doch für mich ist Zeit umzudrehen und so treten wir den Rückweg an. Dieser folgt zunächst mehreren Spuren der Rallye Dakar, gestaltet sich dann aber komplizierter als gedacht. Der Weg, den wir nehmen wollen ist nicht fahrbar. Große lose Sanddünen versperren den Weg. Die Temperatur in der Sonne steigt weiterhin obwohl es schon spät ist und der Diesel wird knapp. Wir haben bereits den letzten Kanister nachgekippt. (Anmerkung für meine Mutter: Ja, Wasser und Essen hatten wir reichlich dabei).
So entscheiden wir uns dafür genau den gleichen Weg zurück zu nehmen, den wir gekommen waren. Aber auch das ist einfacher gesagt als getan. Der Hang, den wir zuvor so einfach hinunter gerollt sind stellt sich uns jetzt in den Weg. Mit Anlauf, einer guten Spur und mehreren Versuchen komme ich bis auf 100m vor der Kuppe. Ganz lässt er sich auch mit Sperren nicht bezwingen. Niko fährt von der anderen Seite heran und wir bewegen den großen G mit den Winden die letzten Meter nach oben. Alle sind erleichtert als es nach 20 Minuten gelungen ist.
Das Dünenfahren ist eine Riesenspass wenn man genügend Treibstoff und Zeit dabei hat. Etwas froh bin ich an dem Abend aber dann doch wieder im Hotel zu sein.
In der Nacht zieht wie vorhergesagt ein Gewitter auf. Blitze erhellen die Stadt Copiapó und wir hören im Bett liegend wie der Regen über die Wüste kommt. Ein Segen für diese trockene Natur!?
25.März
Als ich gegen 8:00 aufstehe regnet es noch immer. Zu meiner Überraschung haben sich alle Strassen, die ich vom Hotelbalkon aus sehen kann in reisende Flüsse, gefüllt mit braunem brausendem Schlamm und allerlei Treibgut verwandelt.
Wir sind unschlüssig ob wir bei diesen Bedingungen überhaupt aus der Stadt herauskommen. Nach dem Frühstück machen Bucki und ich uns auf zu einer Erkundungsfahrt. Das Militär hat inzwischen schon einige Strassen gesperrt, lässt uns aber passieren. Einige Autos haben sich schon im Schlamm festgefahren, wir kommen jedoch ohne Probleme bis zur Stadtgrenze. Wir schleppen einen Toyota frei bevor wir ins Hotel zurückkehren.
Der Plan ist: Einkaufen, Stadt verlassen. Auf dem Weg zum Supermarkt merken wir aber schon, dass die Schlammmassen weiter steigen. Wir müssen beim Queren von Strassen aufpassen, dass vorbeischwemmende Standuhren, Sofas und Paletten das Auto nicht beschädigen.
Der Supermarkt hat nur eingeschränkt geöffnet. Es werden wenige Kunden in den riesigen Laden gelassen, da viele Personen des Personals nicht zum Arbeiten kommen konnten. Trotzdem können wir noch alles einkaufen.
Als wir jedoch aus dem Laden kommen hat sich die Situation drastisch verschlechtert. Die Tiefgarage ist vollgelaufen und das Freideck, auf dem wir stehen ist 10cm überflutet. Der Rückweg zum Hotel ist somit noch gefährlicher geworden als der Weg zum Supermarkt.
Wieder stehen wir an einer Querstrasse (). Balken, eine Hundehütte, Fässer und alle möglichen anderen Gegenstände schießen vorbei. Der Schlammstrom ist nicht nur höher sondern auch schneller geworden. Ich setze auf das hohe Gewicht des Wagens, der verhindern sollte, dass wir schwimmen und versuche eine möglichst hohe Geschwindigkeit, um die Gefahrenstelle zu queren.
Die Rechnung geht nicht auf. Kaum in der Mitte der Strasse bzw. des Strom sind wir schon 2 Meter weggedrückt worden und drohen in das gegenüberliegende Geländer zu fahren oder gedrückt zu werden. Zum Glück haben die Reifen noch Haftung, die fast vier Tonnen sind zum ersten Mal auf der Reise von Vorteil. Es gelingt mir den G in Flussrichtung des Schlamms zu drehen und wir fahren mit der gleichen Geschwindigkeit wie alles was die Strasse hinunter gerissen wird, so um die 20km/h.
Schaulustige und Anwohner filmen, winken hektisch und helfen uns einen Ausgang zu der Lawine zu finden. Was hatten wir für ein Glück, wir sind heil aus dieser brenzlichen Situation heraus gekommen und auch das Auto hat nichts abbekommen, nur wenig Schlamm ist ins Auto gelaufen, und der Kühler muss gereinigt werden.
Die Schlammmarke bis über die Türgriffe zeugt aber davon wie kritisch das ganze war.
Marc, Janek und Bucki versuchen den Tag noch zu Fuß zu Rodrigo zu kommen, aber es ist aussichtslos, die Strassen sind nicht passierbar. Wir sind zum Warten im Hotel gezwungen. Das Hotel schafft es auch mit Minimalbesetzung und abgestelltem Wasser noch einen guten Service aufrecht zu erhalten. Es gibt Frühstücks- und Abendbuffet. Phantastisch. Das Fernsehen berichtet derweil über das komplette Ausmaß der Katastrophe, die Chilenische Regierung hat den Notstand ausgerufen.
26,März
Wir sind den ganzen Tag zum Warten im Hotel verbannt. Die Situation auf den Strassen bessert sich langsam, Aber auch nachts fließt weiterhin noch Wasser über die Straße.
Gerade sind wir mit dem Abendessen fertig, da wird ein Alarm im Hotel ausgelöst, der Fluss hat einen Damm durchbrochen! Es besteht die Gefahr, dass eine Flutwelle die Stadt überrollt. Wir flüchten aus dem Restaurant im Erdgeschoss in die höheren Etagen und entscheiden uns dann aufs Dach zu gehen, um zu sehen was passiert. Kolonnen von Autos flüchten in alle Richtungen, doch zum Glück gibt die Polizei kurze Zeit später per Lautsprecherdurchsagen Entwarnung.
Wenn sich die Situation weiter verbessert könnten wir eventuell morgen schon die Stadt verlassen?!?!
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